Dogmatische Wende: LAG Hamburg kippt Anscheinsbeweis für Einwurf-Einschreiben (4 Sa 26/24).

Das LAG Hamburg hat in einer sorgfältig begründeten Entscheidung (Urt. v. 14.07.2025, 4 Sa 26/24) dem Anscheinsbeweis für den Zugang von Einwurf-Einschreiben eine Absage erteilt. Die Entscheidung ist eine konsequente Reaktion auf die Digitalisierung der Zustellprozesse bei der Deutschen Post.

 

Die Kernaussagen der Entscheidung:

  1. Kein "typischer Geschehensablauf" mehr: Der Anscheinsbeweis setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Erfolg (hier: Einwurf) hindeutet. Dieser sei durch das neue Scan-Verfahren zerstört.
  2. Unterschied zum alten Verfahren: Beim alten "Peel-off-Label" erfolgte die physische Dokumentation (Kleben, Unterschreiben) nach dem Einwurf. Beim neuen Verfahren erfolgt der digitale Scan vor dem Einwurf, was die Fehleranfälligkeit für den nachfolgenden physischen Akt (Fehlwurf) signifikant erhöht.
  3. Ambivalenter Beleg: Der Zustellbeleg selbst ist inhaltlich untauglich. Er läßt offen, ob die Sendung "dem Empfangsberechtigten übergeben" oder "in die Empfangsvorrichtung... eingelegt" wurde. Diese Zweideutigkeit verhindert die Annahme eines typischen Ablaufs.
  4. Verletzung der Waffengleichheit: Der Empfänger hätte praktisch keine Möglichkeit, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, da der Beleg nicht offenlegt, welcher der beiden Geschehensabläufe (Übergabe oder Einwurf) überhaupt bewiesen werden soll.

 

Fazit: Die Entscheidung hat massive prozessuale Auswirkungen. Der Absender (z.B. Arbeitgeber) trägt nun wieder die volle Darlegungs- und Beweislast für den Zugang. Wie der Fall zeigt, scheitert dieser Beweis oft, wenn der Zusteller (als Zeuge) sich erwartungsgemäß nicht an den konkreten Vorgang erinnern kann. Die Zustellung per Boten wird damit zur einzig prozeßsicheren Methode für fristwahrende Erklärungen.

Einwurf Einschreiben: Kein sicherer Zugang

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